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Meetings zwischen Frust und Sinnlosigkeit: Wie Online-Meetings Stress vermeiden und Zeit sparen können

Wir kennen sie alle, die Konferenzen, Treffen und Zusammenkünfte, bei denen wir so gerne produktiv und ergebnisorientiert arbeiten möchten. Leider ist sehr oft das Gegenteil der Fall: Selbstdarsteller überschreiten ihre Redezeit, Überkritiker halten jedem kreativen Input Totschlagargumente entgegen und die Schweigsamen üben sich in Unsichtbarkeit. Dinge wirklich zu erledigen geht anders. Eine Lösung sind Online-Meetings, weil Menschen hier schneller zum Punkt kommen. Manche Unternehmen führen quasi alle Arbeitsabläufe online durch und treffen sich nur alle paar Monate persönlich, um spezifische Aufgaben zu erledigen. Wenn sie richtig vorbereitet, moderiert und nachbearbeitet werden, sind sie eine echte Erleichterung im Arbeitsalltag.

Ein Gastbeitrag von Julia Kolm

Viele Teams in vielen Unternehmen stehen Meeting-Problemen täglich gegenüber. Wir treffen uns zu oft, zu unstrukturiert und ohne Entscheidungen zu fällen. Und die Köpfe aller rauchen.

In ihrem Artikel in der Süddeutschen Zeitung vom 14./15. Dezember 2013 (nachzulesen in der lizensierten Version auf betriebsrat.de) geht Catherine Hoffmann auf genau diese Schwächen von persönlichen Meetings ein. Für viele Menschen sind Meetings ein nervtötendes Prozedere, bei dem sie sich weder nützlich, produktiv noch wohl fühlen. Und die wirkliche Arbeit bleibt liegen.


Können virtuelle Besprechungen unproduktive Meetings ersetzen?

Es gibt eine Lösung, die Meetings wieder produktiv und erfreulich macht: das Online-Meeting bzw. die Online-Konferenz! Gleich vorweg: Nein, Online-Meetings sollen persönliche Besprechungen nicht komplett ersetzen. Aber sie helfen Zeit und Geld zu sparen, Entscheidungen schneller zu treffen und sie schonen unsere Nerven.

Line Jehle und Susanne Skoruppa, beide Beraterinnen in virtueller Führung, geben in ihrem Whitepaper “Virtuelle Nähe als Schlüssel zum Erfolg virtueller Teams” Praxistipps. Sie empfehlen auch für grundlegende Entscheidungen oder Gespräche mit Top-Managern virtuelle Treffen. Hier hilft der latente Entscheidungsdruck: Nur das Wichtigste wird besprochen. Von Angesicht zu Angesicht helfen Treffen vor allem in ganz bestimmten Teamphasen. Das trifft z.B. auf wichtige Verhandlungen oder Entscheidungen zu. Als Faustregel gilt: Persönliche Treffen sollten mindestens zwei  mal im Jahr statt finden.

Auch 37signals (heute Basecamp) empfiehlt im Buch “Remote”, persönliche Treffen nicht nur zum Kennenlernen zu nutzen, sondern sich auch Zeit zu nehmen, um über die Zusammenarbeit des Teams zu entscheiden, z.B. um klare Kommunikationsregeln festzulegen. Intern treffen sich die weltweit ansässigen Mitarbeiter von Basecamp u.a. auch auf internationalen Konferenzen. Ein echter Mehrwert: Lernen, Zusammenarbeiten und nach der Arbeit noch einen entspannten Abend mit den Kolleginnen und Kollegen verbringen.

Ein Brainstroming zur Teamarbeit der letzten Wochen / Monate mit der Frage “I-Like-I-Wish” (alternativ: “What Went Well // Even Better If”) kann wichtige Einblicke liefern und den Teamgeist stärken. Wer diese Frage z.B. zum Abschluss von virtuellen Treffen stellt, bekommt wichtiges Feedback. 


Was ist an Online-Meetings besser? Sie lösen spezifische Probleme!

Damit Menschen online gemeinsam zu guten Ergebnissen kommen, müssen natürlich einige Dinge beachtet werden. Viele davon überschneiden sich mit den Best Practices für persönliche Besprechungen. Die „102 Tips for Online Meetings“ von Roger Courville geben einen schnellen Überblick zum Thema.

Um zu zeigen, welche Probleme Online-Meetings genau lösen, stellt das digital work Team der Kritik des eingangs zitierten Zeit-Artikels “Das große Palaver” seine Lösungsvorschläge gegenüber:

Niemand hat das Treffen vorbereitet, niemand moderiert richtig, niemand entscheidet.

Sehr wichtig für produktive Online-Konferenzen ist, dass alle Entscheider auch wirklich teilnehmen: Sie sind einerseits dafür verantwortlich, dass Dinge vorwärts gehen und andererseits signalisiert deren Anwesenheit allen Beteiligten, das jetzt Nägel mit Köpfen gemacht werden. Kann die Entscheidung nicht vom Team selbst (in Vertretung für Entscheider) getroffen werden, dann sollte das Meeting unter Umständen sogar abgesagt werden, bis alle unverzichtbaren Personen am virtuellen Tisch sitzen.


Die Hälfte der Meetings in deutschen Unternehmen sind unproduktiv und überflüssig.

Spitzenmanager sitzen bis zu 90 % ihrer Arbeitszeit in Meetings, das mittlere Management verbringt ca.
60 % damit. Im deutschen Durchschnitt treffen sich Mitarbeiter zu 4,2 Meetings pro Woche rund sechs Stunden lang. Die meisten Befragten fällten das folgende Urteil: Viele Meetings sind reine Zeitverschwendung.

Wenn nun ein Teil dieser Besprechungen online stattfinden würde, dann könnten erstens viel Reisezeit und zweitens Reisekosten gespart werden. Google ist bestimmt nicht das einzige Unternehmen, welches Online-Konferenzen regelmäßig nutzt. Besonders ist jedoch, dass Google durch die Einführung von simplen Regeln seine gesamte Meeting-Kultur geändert hat. Angeblich hasste Larry Page die langwierigen Meetings so sehr, dass nun für jedes Treffen gilt:

  • Kein Meeting dauert über 50 Minuten.

  • Jedes Treffen hat einen klaren Fokus.

  • Keine Besprechung hat mehr als 10 Teilnehmer.

  • Wer nichts zu sagen hat, ist nicht beim Meeting dabei.

  • Gibt es nichts zu entscheiden, dann fällt das Treffen aus.


Dass das alles Zeit spart, die Neven schont und echte Ergebnisse bringt, macht Sinn. Und die Mitarbeiter sind ebenfalls zufriedener- gute Tipps, die ihre Beachtung verdienen. Produktiv sein heißt kreativ sein. Virtuell haben Menschen eine kürzere Aufmerksamkeitsspanne als in der "echten" Welt. Deswegen sind kollaborative Workshop-Methoden auch online auf dem Vormarsch. Wenn möglich, dann können verschiedene Vortragende und Moderatoren Abwechslung bieten. Wichtig ist, dass Teilnehmer nicht zu reinen Zuhörern werden, sondern sich auch aktiv per Chat, Zeichnen-Funktion und Abstimmung einbringen.

Aber ganz so einfach ist es dann doch nicht: Nicht jedes Unternehmen hat das Know-How für erfolgreiche (Online-)Meetings und viele Organisationen haben es bisher nicht geschafft, eine wirklich offene Feedbackkultur zu etablieren. Oft wandern Meinungsverschiedenheiten von der sachlichen Ebene auf eine persönliche und von der objektiven Lösungsorientierung hin zu kleinteiligen Machtkämpfen. Wenn Störungen Vorrang haben, wird Meeting-Moderation spätestens hier zu Konfliktmanagement - und produktive Arbeitszeit geht verloren.


Machtkämpfe, Schuldzuweisungen, Profilierungsdrang, fehlende Emotionskontrolle, mangelndem Respekt im Umgang mit Kollegen - all das schadet!

Das Zitat von Isabelle Odermatt, Meeting-Forscherin der Uni Zürich, kann noch mit den Forschungsergebnissen von Sozialwissenschaftlerin Schulte angereichert werden. Nach der Auswertung von 400 Meetings konstatiert sie, dass in Arbeitstreffen 16-mal mehr genörgelt als an Lösungen gearbeitet wird. Ja, dass das nervt ist klar. Und dass es zudem nicht zielführend ist, ebenfalls. Das Ausräumen solcher Konflikte ist eigentlich Aufgabe des Personalwesens und betrifft in erster Linie auch die Unternehmenskultur: Es mag an der Zeit sein, sie offener zu gestalten.

Regeln, wie die weiter oben erwähnten von Google könnten speziell für Besprechungen jedoch eine Lösung sein. Online-Meetings ebenso: Teilnehmer tendieren dazu, sich kurz zu fassen und Punkte auf der Agenda abzuhaken.


"Es gibt richtige Bewohner von Meetings, die es sich dort gemütlich gemacht haben [...]"

Ebenfalls interessant ist Felix Brodbeck`s Meeting-Diagnose. Der Wirtschafts- und Organisationspsychologe an der LMU München beschreibt die unbewusste sozialpsychologische Seite von Besprechungen. Menschen müssen sich vergewissern, wie wichtig sie sind bzw. ob sie richtig liegen. Das passiert oft in persönlichen Meetings: Wer vertraut uns? Wer hält uns für doof? Welche Koalitionen gibt es im Büro? Mimik, Gestik, Tonfall, Augenkontakt und Körpersprache vermitteln uns unseren Eindruck von der Lage der Dinge und danach gibt`s im Flurfunk wieder mal den neusten Klatsch zu besprechen.

Das ist bei Online-Meetings natürlich nur eingeschränkt möglich. Die Teilnehmer sehen meist nur das Gesicht oder den Oberkörper, der Augenkontakt besteht nur indirekt und die Körpersprache wird lediglich minimal wahrgenommen - falls es überhaupt möglich ist, seine Aufmerksamkeit auf diese subtilen Signale zu richten. Meist wird auch direkt an Aufgaben gearbeitet, was die Aufmerksamkeit der Teilnehmer zusätzlich bündelt. Folglich kann das Argument aufgestellt werden, dass Online-Meetings diese Art von "Störung" in Besprechungen erheblich reduzieren. Private Gespräche sind per Chat zwar immer möglich, stören aber die anderen Teilnehmer nicht. Verschiedene Teilnehmer nehmen in Meetings verschiedene Rollen ein. Einige profilieren sich gerne, andere überschreiten ihre Redezeit, weil sie schlecht vorbereitet sind. Manche nörgeln ständig, andere sind übermotiviert und finden alles absolut klasse.

Um wirklich produktiv zu Arbeiten hilft nur eins: Die Kombination einer gut durchdachten Moderation mit ehrlichem Miteinander-Reden-Können macht das Online-Meeting zum Erfolg. Helfen Sie sich selbst und Ihren Kollegen beim nächsten Meeting und bringen Sie frischen Wind auch in Ihre Besprechungen. Die hier erläuterten Punkte helfen Ihnen, Argumente zur effektiven Einführung von Online-Meetings zu definieren und Ihre Teammitglieder davon zu überzeugen.

Dieser Artikel dokumentiert ein Ergebnis bzw. einen Lerninhalt des digital work Seminars.

 

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